Jedes Jahr am Karfreitag veranstaltet die Lichtburg Oberhausen, die Jugendkirche TABGHA und der BDKJ Oberhausen das Karfreitagskino. Dabei werden bewusst Themen rund um Freundschaft, Trauer und Liebe gewählt, die die Kinobesucher*innen zum Nachdenken bringen.
Handlung:
Düstere Gedanken prägen das Leben der zwölfjährigen Jessica, die zudem noch an allerlei Zwangsstörungen leidet. Sie ist die Hauptfigur in Anca Miruna Lazarescus „Glück ist was für Weicheier“, der sich mit erstaunlicher Souveränität zwischen satirischen und dramatischen Momenten bewegt und dabei vom Sterben, aber vor allem vom Leben erzählt.
FILMKRITIK:
Die zwölfjährige Jessica (Ella Frey) pflegt einen ganzen Haufen Zwangsstörungen – vom unentwegten hoch und runter ziehen ihrer Strümpfe über ritualisiertes Anklopfen an jeden Raum, den sie betritt – und ist dementsprechend Außenseiter in ihrer Schule. Liebevoll kümmert sie sich um ihre Schwester Sabrina (Emilia Bernsdorf), die an einer unheilbaren Lungenerkrankung leidet.
Seit dem lange zurückliegenden Tod der Mutter wachsen die Schwestern allein bei ihrem Vater Stefan (Martin Wuttke) auf, der Bademeister im lokalen Schwimmbad ist und seinen persönlichen Schmerz auf ganz eigene Weise zu übertünchen sucht: In einem Hospiz liest er den Patienten vor und versucht, ihnen den Tod schmackhaft zu machen. Nicht mehr als ein Teil des Lebens sei dieser und daher doch nicht weiter schlimm, eine spirituell angehauchte Interpretation, die zwar einiges für sich hat, die Stefan selbst jedoch immer weniger überzeugt.
Als Jessica mit zunehmender Verzweiflung versucht, doch eine Methode zu finden, wie der unaufhaltsame Tod ihrer Schwester verhindert werden kann, werden ihre Symptome immer akuter. Ein auch nicht ganz normaler Psychiater (Christian Friedel) soll ihr dabei helfen, ein wenig normaler zu werden, doch will Jessica wirklich normal und durchschnittlich sein?
Besonders der Ton, den Lazarescu in ihrem zweiten Spielfilm, basierend auf einem Drehbuch von Silvia Wolkan, anschlägt ist ungewöhnlich: In der Zeichnung der zahlreichen Neurosen, die Jessica und Stefan prägen ähnelt „Glück ist was für Weicheier“ eher leichten amerikanischen Komödien wie „Little Miss Sunshine“, die Ernsthaftigkeit, mit der oft eine Szene später dann Fragen von Leben und Tod verhandelt werden, ist dagegen eines Dramas würdig.
Mit erstaunlicher Feinfühligkeit wird hier vom Sterben und dem Tod erzählt, vom Verlust eines geliebten Menschen, einer Trauer, die unendlich zu sein scheint und das Leben verdüstert. Wenn sich das ein wenig schwermütig für einen Film anhört, in dem eine Zwölfjährige die Hauptrolle spielt, hat man wohl den wunden Punkt getroffen. Eigentlich kann man „Glück ist was für Weicheier“ kaum einem so jungen Publikum ans Herz legen, andererseits kann man diesem ungewöhnlichen Film wiederum nur wünschen, dass er ein Publikum - welchen Alters auch immer - findet, das Willens ist, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.
Sehenswert ist Anca Mircia Lazarescus Film unbedingt, nicht zuletzt dank der beiden Hauptdarsteller. Von Martin Wuttke ist man natürlich nichts anderes gewohnt, aber das Ella Frey problemlos an seiner Seite besteht ist bemerkenswert. Mit einer Mischung aus Kindlichkeit und Reife spielt sie und macht ihre mit Neurosen und Eigenheiten anfangs fast überfrachtet wirkende Figur lebendig und berührend.
Quelle: www.programmkino.de
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Handlung:
Igor lebt allein und jobbt als Fahrradkurier für Biogemüse. Ein paar mehr Kontakte zu anderen Menschen wären schön, aber ansonsten ist der körperlich behinderte Hobby-Philosoph nicht unglücklich. Louis hingegen ist ein 24/7-Unternehmer, ein Workaholic, der vor lauter Arbeit in seiner Bestattungsfirma die Lebensfreude vergessen hat. Als er Igor auf seinem Fahrrad anfährt, ist ihm das doppelt peinlich: zum einen wegen seiner Unachtsamkeit, zum anderen, weil er offensichtlich einen Menschen mit Behinderung verletzt hat. Ein Unfall mit überraschenden Folgen, denn Igor hat sich in den Kopf gesetzt, dass Louis ein perfekter neuer Freund für ihn wäre … und Igor kann sehr hartnäckig sein. So kommt es, dass Louis und Igor zu einer abenteuerlichen Reise im Leichenwagen aufbrechen, die ihr Leben ordentlich auf den Kopf stellt.
(Quelle: Xverleih https://www.x-verleih.de/filme/glueck-auf-einer-skala-von-1-bis-10/)
Filmkritik:
„Lass mich los, Maman,“ fordert Igor (Alexandre Jollien) in einer frühen Szene des Films. Der körperlich beeinträchtigte Alleinlebende will unabhängig sein, schließlich kommt er weitgehend ohne Hilfe zurecht. Der Job als Dreirad-Kurier ist ein Schritt in Richtung Selbstbestimmung, was Igor aber noch fehlt, sind mehr Sozialkontakte. Den Stein ins Rollen bringt ein kleiner Unfall mit dem Bestatter Louis (Bernard Campan), der Igor nach dem Zusammenstoß ins Krankenhaus fährt und die Episode abhakt. Nicht so Igor: Der schleicht sich dreist in den Leichenwagen, als Louis eine Verstorbene im Sarg nach Frankreich überführen will. Zähneknirschend nimmt der überrumpelte Louis den hartnäckigen Passagier mit.
Für Igor bietet der Ausflug Gelegenheit, die theoretischen Weisheiten seiner „Papierfreunde“ aus den Philosophie-Büchern, die er ständig zitiert, in die Praxis zu überführen. Der spröde Louis hingegen stürzt sich als Leiter einer Bestattungsfirma in die Arbeit, um eine spät aufgelöste Seelenqual zu verdrängen, und erfährt durch die Begegnung mit dem „erstaunlichen Burschen“ Igor eine bereichernde Irritation seiner Routine. Das erinnert an den 2011er Publikumshit „Ziemlich beste Freunde“ oder den Klassiker „Rain Man“, entwickelt aber eigenen Charme.
Die Entstehung der Freundschaft ist amüsant anzuschauen, teils schwarzhumorig und immer nah bei den sympathischen Figuren. Ein Glücksgriff ist die darstellerische Harmonie zwischen Alexandre Jollien und Bernard Campan („Alles kein Problem“), die als Duo auch für die Regie und – zusammen mit Helene Gremillon – das Drehbuch verantwortlich zeichnen. Die echte Freundschaft der beiden Männer hat das Projekt in vielerlei Hinsicht inspiriert. Dass der Fokus weniger auf einer raffinierten filmischen Gestaltung als auf den Dialogen und zwischenmenschlichen Interaktionen liegt, ist daher leicht verschmerzbar.
Bei allem Feelgood-Faktor behandelt der tragikomische Film auch ernste Themen. Der Originaltitel „Presque“ spielt auf eine Szene an, in der Igor als „fast normal“ bezeichnet wird – und trifft das Herz des Films weit besser als der blumige deutsche Verleihtitel. Der Mann mit Handicap begegnet Vorurteilen und ringt um mehr Unabhängigkeit, was mit einer späten Loslösung von der Mutter einhergeht. Auch das oft beschwiegene Thema Sex mit Behinderung wird mit einer unaufdringlich positiven Botschaft aufgegriffen. Solche Momente und die schauspielerische Chemie prägen den einnehmenden Roadtrip, der ehrlich rührt.
Christian Horn
Quelle www.programmkino.de
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Handlung:
Zak, ein 22-Jähriger mit Down-Syndrom, wurde von seiner Familie bereits als Kind abgeschoben und von den Behörden in einem Altersheim untergebracht. Als sein Zimmergenosse Carl das Leid des Jungen nicht mehr länger mitansehen kann, verhilft er ihm zur Flucht. Lediglich mit einer weißen Unterhose bekleidet, macht Zak sich in der Nacht davon. Er versteckt sich im Boot des Fischers Tyler, der wegen illegalen Krabbenfangs entlassen wurde und nach einem Streit die Ausrüstung seiner Rivalen Duncan und Ratboy verbrennt. Auf der Flucht vor den beiden wütenden Konkurrenten entdeckt er den blinden Passagier Zak an Bord seines Bootes. Als der auf Hilfe angewiesene Zak nicht von seiner Seite weichen will, beginnt eine unerwartete Freundschaft.
Zaks Traum ist es, ein Profi-Wrestler zu werden, so wie sein großes Vorbild „The Salt Water Redneck“. Dessen Kämpfe kennt er allesamt aus Videokassetten-Filmen. Tyler hingegen muss den von ihm bei einem Autounfall verschuldeten Tod seines geliebten Bruders Mark verarbeiten. Zak und Tyler setzen ihre Reise auf einem selbstgebauten Floß fort. Mit Tylers Hilfe lernt er das Schwimmen und das Schießen mit einer Pumpgun. Bald trainiert er ihn auch für seinen ersten Wrestling-Kampf.
Eleanor findet beide schließlich an einem Strand und möchte ihren Schützling zuerst in die Einrichtung zurückbringen. Nachdem sie bei einem Anruf dort erfahren hat, dass ihr Vorgesetzter Zak aufgrund seiner Ausbruchsversuche in eine Einrichtung mit verschärften Regeln bringen lassen will, schließt sie sich Tyler und Zak an, um mit ihnen gemeinsam weiter zu reisen. Während einer Übernachtung holen Duncan und Ratboy das Trio ein und verbrennen ihr Floß. Zak verteidigt sie mit der Waffe. Als sie die Kleinstadt Ayden in North Carolina erreichen, erfährt Tyler, dass der Wrestler Salt Water Redneck sich zur Ruhe gesetzt und die Wrestling-Schule bereits vor zehn Jahren geschlossen hat. Tyler kann ihn überzeugen, seine Wrestling-Rolle für seinen großen Fan Zak noch einmal wiederzubeleben. Salt Water trainiert Zak als Wrestler und verschafft ihm einen ersten Auftritt bei einem lokalen Wrestling-Kampf. Mit Zaks Gegner Sam bespricht er, sich beim Anfänger Zak zurückzuhalten, doch beim Kampf schlägt Sam ihn mehrmals hart. Tyler ist kurz davor einzugreifen, als die von einem Bekannten informierten Duncan und Ratboy auftauchen und ihn KO schlagen. Zak hat seine letzten Kräfte mobilisiert und kann Sam mit einem „Atomic Throw“ aus dem Ring werfen, den Salt Water zuvor als unmöglich bezeichnet hatte. Am Ende reist der von seiner Verletzung langsam wieder genesende Tyler mit Eleanor und Zak nach Florida.
(Quelle: The Peanut Butter Falcon – Wikipedia)
Diese zwei muss man im Auge behalten: Für Tyler Nilson und Michael Schwartz ist „The Peanut Butter Falcon“ nicht nur der erste gemeinsame Spielfilm, die beiden schrieben dafür auch zusammen ihr erstes fiktionales Drehbuch. Das Ergebnis ist ein im besten Sinne an Filme wie „Swiss Army Man“ erinnernder Roadtrip, in dessen Mittelpunkt mal keine Lovestory, sondern eine tief zu Herzen gehende Freundschaft steht.
Zak (Zack Gottsagen) ist glühender Wrestling-Anhänger und träumt von nicht mehr, als einmal die Wrestling-Schule seines großen Idols zu besuchen. Das Problem: Er hängt in einem Pflegeheim fest. Da Zak das Down Syndrom hat, traut ihm seine Umwelt nämlich nicht zu, für sich allein zu sorgen. In seinem langen Weggefährten Carl (Bruce Dern) findet er jedoch einen Verbündeten. Dieser hilft ihm eines Nachts, aus dem Pflegeheim auszubrechen. Auf seiner Reise in Richtung Florida trifft Zak zufällig auf Tyler (Shia LaBeouf), einen Kriminellen, der eigentlich gerade ganz andere Probleme hat, als einem dahergelaufenen Mann bei seiner Odyssee nach Florida zu helfen. Doch aus irgendeinem Grund sind sich die zwei auf Anhieb sympathisch und bestreiten den Weg gemeinsam. Als sich eines Tages auch noch Zaks Pflegerin Eleanor (Dakota Johnson) an ihre Fersen heftet, wird die Reise dieses ungleichen Trios zu einem Abenteuer, das keiner von ihnen jemals vergessen wird…
Shia LaBoeuf hat innerhalb weniger Wochen mit zwei neuen Filmen Aufsehen erregt und beide wurden von der Kritik mit äußerst wohlwollenden Besprechungen bedacht. Da kann man schon mal durcheinanderkommen. Daher noch einmal rasch zur Einordnung: „Honey Boy“ lief auf Filmfestivals wie Toronto, Sundance und Woodstock. Darin spielt LaBoeuf („Nymph()maniac“) quasi sich selbst. Der Film zeichnet grob das Leben des umstrittenen Schauspielers nach. In den Hauptrollen finden sich unter anderem Lucas Hedges („Manchester by the Sea“) und Noah Jupe („Le Mans 66 – Gegen jede Chance“). Offiziell in die Kinos kommt „Honey Boy“ im November, dafür mit ordentlich Vorschusslorbeeren. In „The Peanut Butter Falcon“ dagegen mimt LaBoeuf dagegen einen Kriminellen, der sich mit einem jungen Mann mit Down Syndrom anfreundet. Angelehnt an Filme wie „Swiss Army Man“ verzaubert die erste rein fiktionale Regiearbeit von Tyler Nilson und Michael Schwartz nun schon seit einer ganzen Weile auch das reguläre Kinopublikum. Genauer: „The Peanut Butter Falcon“ hat bereits in der Startwoche das Dreifache seines Budgets wieder eingespielt und beweist neben Filmen wie „Downton Abbey“, „Good Boys“, „Overcomer“ und „Hustlers“, dass das Boxoffice aktuell nicht (mehr) zwingend von den Big-Budget-Blockbustern dominiert wird.
„The Peanut Butter Falcon“ entstand mit einem Budget von gerade mal 6 Millionen US-Dollar. Darüber lachen die großen Hollywood-Studios, die mitunter mehrere Hundert Millionen ausgeben, um Filme wie „Der König der Löwen“ oder die derzeit angesagten Superheldenfilme zu inszenieren. Doch an dieser zurückhaltend gedrehten Roadmovie-Komödie ist bewusst alles eine Spur kleiner, intimer. Denn letztlich es trotz der berauschenden Kulissen, die vornehmlich aus der Sumpfgegend des US-amerikanischen Hinterlandes bestehen, vor allem die Interaktion der Figuren, die den Film dominieren. Unter Zuhilfenahme einiger fantastischer Elemente (vor allem das Ende sagt sich etwas vom ansonsten bodenständigen Tonfall los) erinnert „The Peanut Butter Falcon“ damit vornehmlich an „Swiss Army Man“ von Daniel Kwan und Daniel Schreinert, aber auch Anleihen an Andrea Arnolds Indie-Meisterwerk „American Honey“ werden sichtbar – nicht zuletzt, weil sich auch in „The Peanut Butter Falcon“ ein Shia LaBoeuf einem Szenario flirrender Menschennähe stellen muss, in dessen Zusammenhang immer wieder die Frage nach dem Sinn und Zweck von Freundschaft gestellt wird. Und die beantworten sowohl er als auch Newcomer Zack Gottsagen mit größtmöglicher Selbstverständlichkeit mit einem aufrichtigen Plädoyer dafür, dass Zusammenhalt Grenzen überwindet und im jeweils anderen die bestmögliche Version von einem selbst freikitzeln kann.
Nach „Die Goldfische“ ist „The Peanut Butter Falcon“ nun schon der zweite Film, in dem ein Mensch mit geistiger Behinderung einen Menschen mit geistiger Behinderung spielt. Dadurch entsteht eine authentische Nähe zum Geschehen; Tyler Nilson und Michael Schwartz heucheln nie falsches Mitleid, sondern betrachten jeden ihrer Filmcharaktere gleichwertig und sind dabei mitunter äußerst entwaffnend. Mit dem Auftreten von Dakota Johnson („Suspiria“) erweitern sie diese „Bromance“ (eine Wortschöpfung aus „Brothers“ und „Romance“) noch um eine weitere Figur, die zunächst nur von außen auf das durchaus fragwürdige Geschehen schaut – schließlich will sie für ihren Schützling ja nur das Beste. Doch mit der Zeit begreift auch Eleanor, dass man den Geschehnissen eben einfach mal trauen sollte. Mit viel Witz, Herz und leiser Melancholie führen die Filmschaffenden ihre Odyssee schließlich zu einem emotionalen Abschluss. Vorbei sind eineinhalb Stunden pures Wohlfühlkino, in dessen Hände man sich am liebsten umgehend noch einmal begeben würde. Und so konstruiert die Geschehnisse hier bisweilen auch wirken mögen, so optimal lösen die Kreativen sämtliche Handlungsstränge letztlich auf. „The Peanut Butter Falcon“ ist schon jetzt ein heißer Award-Anwärter.
„The Peanut Butter Falcon“ ist eine herzliche Tragikomödie darüber, dass wir jedem Menschen vorurteilsfrei begegnen sollten. Das Hauptdarstellertrio spielt famos auf, das Setting besticht durch berauschende Landschaftsaufnahmen und trotz der Gefahr, hin und wieder in Kitsch abzudriften, behalten die Macher abseits einiger fantastischer Elemente die betonte Verwurzelung in der Realität bei. Bei diesem Trip wär man selbst nur zu gern dabei!
Antje Wessels